Wie ist der Brauch entstanden?
Ostern, das höchste Fest im christlichen Kirchenjahr, hat seine Wurzeln tief in weit vorchristlicher Zeit. Bevor die christliche Lehre diesen Feiertag annahm, feierte man den Übergang vom kalten, harten Winter in den lebensspendenden Frühling. Es war die Zeit, in der die Menschheit die Vertreibung des Winters und das kraftvolle Erwachen der Natur gebührend bejubelte. Selbst das jüdische Passahfest fällt in diesen Zeitrahmen.
Um den Winter symbolisch zu vertreiben – ihn zu „verbrennen“ oder „auszutragen“ – wurden einst Puppen aus Stroh und Lumpen gefertigt. Diese wurden unter Gesang durchs Dorf getragen und dann verbrannt. Mit lautem „Peitschenknallen“ wurde dem Winter der Abschied erzwungen und dem Frühling Einzug gewährt.
Wenn die ersten Blüten aus der Erde sprießen und die Luft den frühlingshaften Geruch verströmt, spürt man, wie tief das Osterbrauchtum in uns verwurzelt ist. Der ursprüngliche Sinn ist bis heute erhalten geblieben, auch wenn sich das äußere Gewand mancher Bräuche verändert hat. Das Volksbrauchtum ist eine lebendige Mischung aus Gefühl, Wissen, Glaube, Liebe, Hoffnung und praktischen Handlungen, aus der auch die Osterbräuche entstanden sind.


Wie wird der Brauch gelebt?
Das Osterfeuer
Das Osterfeuer in der Nacht von Karsamstag auf Ostersonntag ist das leuchtende Symbol der Reinigung, aber auch des Lebens, der Fruchtbarkeit und des Wachstums. Alte, morsche oder unbrauchbare Hölzer werden zu einem stattlichen Haufen aufgeschichtet und entzündet. Mancherorts sprangen junge Burschen und Mädchen über das lodernde Feuer, oder brennende, mannshohe Räder (ein Symbol des Sonnenzeichens) rollten Abhänge hinunter, um die Felder fruchtbar zu machen.
Die Osterkerze
Vom Osterfeuer wird die Osterkerze entzündet, deren Licht die christliche Gemeinde durch das ganze Kirchenjahr begleitet. Mit Fackeln wurde das geweihte Feuer sogar in jeden Haushalt getragen, um den Herd zu entzünden und böse Geister fernzuhalten, die Unglück oder Krankheit bringen könnten.
Stille und Lärm
Ab Karfreitag verstummen die Kirchenglocken; im katholischen Odenwald sagt man, sie seien nach Rom geflogen. Statt des Geläuts eilen junge Burschen und Mädchen mit selbst gefertigten Klappern und Ratschen lärmend durch das Dorf, um die Gemeinschaft trotzdem zum Gebet aufzufordern.
Die magische Morgendämmerung
Zur Ostermythologie gehört auch der Brauch des Osterwasserschöpfens. Am Ostermorgen, in aller Frühe vor Sonnenaufgang, schöpfen unvermählte junge Frauen schweigend Quellwasser aus einem bestimmten Brunnen oder einer Quelle. Dieses Wasser soll Heilwirkung besitzen. Wird während der Zeremonie aber gesprochen oder gar gelacht, verfliegt die heilende Kraft, und das Wasser wird zum wirkungslosen „Babbelwasser“.
Das Osterei und der Osterhase
Der Hase und das Ei sind uralte Symbole ägyptischer Mythologie, die für Fruchtbarkeit und das erwachende Leben stehen. Es ist die Paarungszeit des wilden Hasen. Das Ei, schon im 1. Jahrhundert n. Chr. ein beliebtes Geschenk, entwickelte sich von der einfachen Naturfarbe zur rot dominierenden Färbung im 4. Jahrhundert bis hin zu wahren Kunstwerken ab dem 16. Jahrhundert.
Das eingefärbte Osterei
Die einfachste Gestaltung eines Ostereies ist das Einfärben mit natürlichen Farben, die aus der Natur gewonnen werden können. Hierzu finden, zum Teil heute noch, Zwiebelschale (braun), Heidelbeersaft (blau), Brennnesselwurzel (gelb) oder Spinatsud (grün) und Labkraut oder Rotkraut (rot) Anwendung.
Das Batikei
Das Batikeiwird in rohem Zustand mit heißem Wachs bemalt, z. B. Ornamente, Blumen usw., und anschließend in eine Farbbrühe gelegt und gekocht. Zum Schluss wird das Ei mit einer Speckschwarte abgerieben und erhält dadurch sein glänzendes Äußeres.
Das Wachsei
Das Wachsei wird gekocht und abgekühlt. Anschließend wird das Ei mit heißem Wachs beschrieben oder verziert und in eine Farbbrühe eingelegt. Hat die Eierschale die Farbe aufgenommen wird der Wachs entfernt und die helle Eierschale kommt an dieser Stelle wieder zum Vorschein.
Das Wickelei
Das Wickelei wird noch in heißem Zustand mit einem bunten Wollfaden umwickelt. Ist der Wollfaden wieder trocken wird er abgenommen. Es haben sich um das Ei farbige Ringe gebildet. Oder das rohe Ei wird in Blätter eingehüllt und zusammen mit der Umhüllung gekocht. Die Farbe überträgt sich zart u die Übergänge weich.
Das Ameisenei
Das Ameisenei wird gekocht und eingefärbt. Ein Ameisenhaufen wird aufgesucht und das Ei hinein gelegt. Die Ameisen bespritzen das Ei mit ihrer Säure und es entstehen sehr willkürliche Muster in Form von Blitzen. Diese willkürlichen Muster wurden oft zur Deutung vom zukünftigen Glück oder Unglück heran gezogen.
Das Leimei
Das Leimei wird mit Schreinerleim, dem Farbstoff zugesetzt ist, mit den Fingern bemalt. Es entsteht eine Marmorierung des Eies, das im Übrigen auch gerne für die anschließenden Eierspiele benutzt wurde, da es durch den aufgebrachten Leim robuster war.
Das Kratzei
Das Kratzei wird zunächst gekocht und eingefärbt. Anschließend wird Die Eierschale mit einem spitzen harten Gegenstand bearbeitet. Die Verzierung hebt sich weiß von dem farbigen Ei ab.So wurden und werden sogar ganze Sprüche oder Liebeserklärungen in das Ei eingeritzt.
Das Binsenei
Das Binsenei wird mit dem aus dem Mark der Binse gewonnenen wollähnlichen Material spiralförmig umwickelt. Zuvor wurde das Ei auf beiden Seiten aufgestochen und das Eigelb und Eiweiß heraus geblasen. Die Binseneier werden an einem Eiende mit einer Schlaufe am anderen Ende mit einer Quaste versehen und als Schmuckstücke das ganze Jahr über in der „Gutt Stubb“ aufgehängt.
Die Eierkette
Die Eierkette besteht aus bunt bemalten ausgeblasenen Eiern, die zu einer Kette, verbunden mit einem dünnen Faden, aneinander gereiht werden. Die Eierkette diente zum traditionellen Ausschmücken des Wohnhauses.
Seit dem 17. Jahrhundert werden die Ostergeschenke nicht mehr persönlich überreicht, sondern vom Osterhasen in eigens hergerichteten Osternestern im Garten versteckt.
Osterspiele und Speisen
Nach dem Aufspüren der Nester warten die Eierspiele auf die Kinder. Beim Eierwerfen, Eirollen oder dem Eidotzen (das Eierstoßen zweier Spieler) wird gewetteifert. Gehen die Eier dabei zu Bruch, werden sie direkt an Ort und Stelle verzehrt.
Auch die Ernährung hat ihre festen Bräuche.
In der Karwoche wird traditionell kein Fleisch gegessen. Besonders am Gründonnerstag wird das bekannte Kräutergericht, die Grüne Soße mit Pellkartoffeln, serviert. Das Osterlamm als Gebäck (Gebildbrot) – eine symbolische Form des Lammes, das im jüdischen Passah-Fest geopfert wird – wird ebenfalls mit Vorliebe zubereitet und an liebe Menschen verschenkt.



